John Newton ist 1725 in England zur Welt gekommen. Seine Mutter starb, als er noch klein war, durch seinen Vater kam er schon mit 11 Jahren zur Seefahrt. Schon bald musste er Marinesoldat werden, konnte aber dann wieder in die zivile Schifffahrt wechseln und kam dadurch in den Kontakt zum Sklavenhandel. In Westafrika wurde er Sklavenaufseher und empfand den Handel mit Menschen zunächst als Gott-gegeben. Er wird als harter, arroganter und unsensibler Mann beschrieben, der keine Rücksicht auf Schwächere nimmt und der sich über den Glauben anderer lustig macht. Als er 1748 mit seinem Schiff auf dem Meer in einen schweren Sturm gerät, überfällt ihn Todesangst. Dieses Erlebnis krempelt sein Leben um. Zum ersten Mal reflektiert er sein bisheriges Leben und stellt es in Beziehung zu Gott. Seine Rettung erlebt er als ein Handeln Gottes, der seine Not gesehen hat. Er beginnt nun, sich intensiv mit der Bibel und der Theologie auseinanderzusetzen. Trotzdem bleibt er zunächst im Sklavengeschäft tätig und transportiert unzählige Sklaven von Westafrika nach England. Durch seine Bekehrung hat er Gottes Gnade nicht nur für sein eigenes Leben erkannt. Seine Gnade wirkt nun an ihm weiter und er beginnt, auch andere Menschen mit den Augen der Gnade und Barmherzigkeit anzusehen. Schließlich wird er 1764 zunächst als Diakon und anschließend zum Pfarrer der anglikanischen Kirche ordiniert. Im Laufe seiner Tätigkeit als Pfarrer erkennt er nun auch das Unrecht, das den Sklaven angetan wird und er beginnt, zusammen mit anderen dafür zu kämpfen, dass der Sklavenhandel verboten wird. 1807, drei Monate vor seinem Tod, ist es endlich so weit: die Sklaverei wird in England verboten.
John Newton hat Barmherzigkeit gelernt. Sie ist in ihm gewachsen. Weil er zunächst Gottes Barmherzigkeit erfahren und geglaubt hat. Schon allein das hat lange gebraucht, bis er wirklich verstanden hat, dass Gott zu ihm Ja gesagt hat. Obwohl er selbst doch so oft Nein zu Gott gesagt hatte. Und doch hat er sich getraut, ist das Wagnis des Glaubens eingegangen und hat gespürt, wie er selbst verändert wurde und wie sich seine Sicht auf die Welt dadurch nach und nach geöffnet und verändert hat. Trotzdem sind noch viele Afrikaner lange Zeit respektlos und menschenunwürdig behandelt worden. Und dennoch hat Gott die zarte Pflanze der Barmherzigkeit und Gnade in John Newton eingepflanzt. Sie hat Früchte getragen. Bis heute. Davon handelt das Lied, das bis heute eines der bekanntesten Kirchenlieder auf der ganzen Welt ist. John Newton hat es geschrieben, um von seinem Glaubensweg zu erzählen, in dem er Gnade und Barmherzigkeit erlebt hat: Amazing Grace, how sweet the sound… – Erstaunliche Gnade, welch ein süßer Klang. Ich war verloren, und jetzt bin ich gefunden worden, war blind, und jetzt erkenne ich…
Lasst uns auf den Klang der Gnade und Barmherzigkeit Gottes hören in 2021, wenn Christus uns auch heute zuruft: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“
Diese Barmherzigkeit brauchen wir, um gemeinsam in der Corona-Pandemie gesund zu werden, wir brauchen sie, um uns als Europäer*innen denjenigen gegenüber barmherzig zu erweisen, die als moderne Sklav*innen der Hartherzigkeit der europäischen Politik ausgeliefert sind.
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lk 6,36)